Wer dies gut und lebhaft tut, beweist seine Fähigkeit einzig an der erzählten Geschichte – ohne Rücksicht auf Vorlagen und Traditionen. Doch es sind gerade diese Vorlagen, die Ordnung in die Erzählungen bringen, so dass sie auch späteren Generationen noch verstehbar sind. Diese Website benutzt Cookies. Wenn theoretische Abhandlungen nicht öfter „von den kahlen Höhen der Gescheitheit in die grünenden Täler der Dummheit“ hinuntersteigen (Wittgenstein 1977, 144), uns also das Gegenteil der Klugheit kaum erklärlicher machen, so bringen die Dummlingsmärchen umso mehr Verständnis dafür auf, indem sie von den konkreten Ausprägungen dieser Untugend in der Alltagswelt erzählen. Zehn adlige Frauen und Männer fliehen hierin der Pest wegen aus der Stadt und erzählen sich auf einem Landsitz zu ihrer Zerstreuung und Unterhaltung abwechslungsweise Geschichten. Jahrhundert hinein galt es als chic, Feerien und Märchen im exklusiv fürstlichen oder orientalischen Ambiente zu erfinden respektive dahingehend zu bearbeiten. Lesen Sie das Märchen → Tugend, Vernunft und gutes Benehmen sind für seinen Aufstieg offensichtlich nicht allzusehr von Belang. So ist der Dummling eben doch kein Dumm-, allenfalls ein Dümmling, der sich eine Jugendposse erlaubt. Vielmehr erscheint jener als eine männlich heroische Tat, durch eigenes Geschick gefestigt und so erst wirklich verdient. In seinen Erfolgen beziehungsweise Misserfolgen spiegeln sich immer auch die Bewegungskräfte innerhalb einer sich wandelnden Gesellschaft. Seit alters vermittelten professionelle Erzähler und Erzählerinnen zwischen Schriftkultur und dem leseunkundigen Volk. Die Gattung „Märchen“ lässt sich umschreiben als ein komplexer Austausch von schriftlichen Vorlagen, gehörten Geschichten und subjektiven Hinzufügungen, aus dem Erlebnishorizont der Erzählenden verstanden und kulturhistorisch gedeutet. Der Dummling aber setzte sich auf den Stein und weinte, und wie er so hin und her wankte, schob sich der Stein fort, und darunter lag eine Marmorplatte mit einem Ring. Das Vorbild der Brüder Grimm wirkt fort, und so taucht jener in der Literatur fortan als ein strebsames Wirtschaftsindividuum auf, das derart verharmlost und fest ins veränderte gesellschaftliche Gefüge eingebunden ist. Ewige Erzählungen Die Gattung Grimm und der Dummling Von Severin Perrig und Beat Mazenauer. Innerhalb des aristokratischen Lebens gilt weiterhin die traditionelle Etikette, der sich bürgerliche Aufsteiger oft nur schwer unterzuordnen vermögen. Die vier kunstreichen Brüder. Als jüngster von meist drei Söhnen macht der Dummling trotz seiner körperlichen oder geistigen Benachteiligung sein Glück, weil er gutherzig und gewitzt ist. Für die zuhörenden Herrschaften am Hofe sind diese vor allem Grund zu verlachendem Amüsement und zugleich exotischer Anreiz für derb erotische Vorstellungen. groß in Mode gekommen waren. Märchengeschichten dienen sich der Schrift an und bleiben doch ungebärdig und wandelbar dabei. Dorforiginale, Ammen, Barbiere, aber auch Bänkelsänger, Vorleser oder Gaukler, die mit gutem Gedächtnis begabt oder des Lesens mächtig waren, unterhielten mit solchen Geschichten oder wandelten sie zum allgemeinen Vergnügen spontan um. 36) oder „Daumesdick“ (KHM Nr. Statt dessen vollzieht sich sein Glück beinahe gegen den eigenen Willen. Durch Mut und/oder sein freundliches Wesen erlangt er magische Kräfte, die ihn zu einem starken, bewunderten Mann reifen lassen. Im Unterschied zu den Fassungen von Giambattista Basile oder des „auch recht guten“ Giovan Francesco Straparola zeichnet sich ihr eigenes „Hans Dumm“-Märchen durch sprachliche wie dramaturgische Schwächen aus, die mangelnde Sorgfalt, aber auch Zweifel am Stoff selbst verraten. In dieser literarisierten Form glichen die Kinder- und Hausmärchen bloß noch einfachen Geschichten, als wären sie soeben frisch dem Volksmund abgelauscht worden.
Es macht den Anschein, als ob den Brüdern Grimm über der Charakterzeichnung ihres Hans Dumm unwohl geworden sei, weshalb sie ihm wider alle Erwartung gleich selbst die Führung des weiteren Geschehens überlassen. Klarer demonstrieren demgegenüber andere Geschichten von Dummlingen beziehungsweise Dümmlingen innerhalb der Grimm’schen „Kinder- und Hausmärchen“ die bürgerlichen Tugenden. Doch was war denn eigentlich zuerst da, das Huhn des mündlichen Berichts oder das Ei der schriftlichen Festlegung? Folglich verschwindet Hans Dumm gegen Schluss auch gänzlich von der erzählerischen Bildfläche. Die Alte im Wald. Der allgemein gültigen Märchenhaftigkeit stehen die dem damaligen Zeitgeist entsprechend inszenierten Standesschranken entgegen sowie die derbe Erotik fast aller Geschichten.