Zufälligerweise gab es 1986 gerade im Salzburger Landestheater eine Gosch nachahmende Inszenierung von Sophokles` “König Ödipus“ durch Kurt Josef Schildknecht, die ebenfalls auf überdimensionale Pappmaché-Masken und stelzengleiche Kothurne setzte.Bei Gosch brillierte Ulrich Wildgruber – auch beim Berliner Theatertreffen 1986 – mit donnerndem Brüllton und massigem Körper, in einer knallbunten Toga und stramm auf Kothurnen stehend, wie festgenagelt. Das ist auch nicht mehr unter „nicht so wild“ abzubuchen. Mit all jenen, die glauben, weil sie viel Glück und Geld und Gesundheit im Leben gehabt haben, würden sie über den Anderen stehen.Nach und nach zeigt sich, wie hartherzig und kalt der reiche Jedermann zu seinem Erfolg kam. Sie analysieren die Abstriche aus Mund und Nase, gegebenenfalls auch das Sputum oder Gewebe. Ist das Leben nicht oft genug zum Kotzen? Und manchmal passt das ganz hervorragend zum Charakter der Rolle, denn Morettis Jedermann ist von Wut getrieben. Der Tod? Formschön, aber auch sehr ausdrucksstark. Was er dank selten guter Stimmtechnik in vielen Schattierungen vermag. Somit ist 2020 seine letzte "Saison in Salzburg". Tobias Moretti und Mavie Hörbiger in der Inszenierung von Michael Sturminger in Salzburg 2020. Schauspieler Tobias Moretti hat bekanntgegeben, dass er für die Rolle des "Jedermann" (Hugo von Hofmannsthal) bei den Salzburger Festspielen ab 2021 nicht mehr zur Verfügung stehen wird. Tobias Moretti darf ihn als machtbewussten Kreativen spielen, als erfolgsverwöhnten Architekten, bei dem fast Hopfen und Malz in Sachen Moral verloren sind – aber eben nur fast.Und so hat der Teufel am Ende zwar einen imposanten Monolog, auch Dialog mit dem Herrgott, der bei Sturminger mit dem Kruzifix wie mit einem rauchenden Colt spielen darf.Aber – es ist eben doch eher ein Lustspiel als eine Tragödie – das Gute siegt.
Sein Jedermann verkörpert einen modernen Businessman, der Schauspieler Tobias Moretti auf den Leib geschneidert ist. Wir wissen es nicht.Aber wir wissen, dass er trotz seiner Erfolge stets in der Angst lebte, unverschuldet zu verarmen. Ich zitiere aus der Münchner AZ („Abendzeitung“):„Warum nicht eine Rekonstruktion der Regie-Urfassung von Festspiel-Mitbegründer Max Reinhardt aus den zwanziger Jahren in opulent-historisierenden Kostümen und ohne modernen Regie-Schnickschnack? Und sollte das nicht ausnahmsweise auch erlaubt sein?Die strengen Maßnahmen backstage wiegen hier Einiges auf.Aber man versteht es auch, wenn sich Choreografen und Regisseure, Intendanten und Direktoren jetzt aufgeregt fragen, warum sie so etwas in Deutschland nicht dürfen. Da die Antikörper und damit die Immunität aber bei manchen Personen nicht mal fünf Wochen lang halten, muss man sich fragen, wie sinnvoll diese Antikörper-Tests (es handelt sich um Bluttests) überhaupt noch sind.Die PCR Screenings hingegen zeigen, ob jemand ansteckend ist. Tickethotline. Naja, dafür müssen wohl erst Dramen umgeschrieben oder neu verfasst werden…Im „Jedermann“ bleibt es unausgesprochen, obwohl der todkranke Reiche auch die Station eines Krankenhauses durchläuft.
Geistig anstrengend sein?Und doch gibt es ein Argument für mehr Körpereinsatz: Das deutschsprachige Schauspiel krankt oftmals am Brüllsyndrom. Einerseits zur Inszenierung passend und sie unterstützend, andererseits dennoch für sich und ohne verbalen Kontext verständlich. Allerdings auf sehr erotische Weise! Videostill von der BR Mediathek: Gisela Sonnenburg Dann ist auch Kindern nicht mehr zu vermitteln, wieso sie auf dem Weg ins Klassenzimmer eine Maske tragen sollen.Als Signal ist Salzburg dieses Jahr also egoistisch und keineswegs vorbildhaft.Man will ran an den wirtschaftlichen Profit der zahlenden Übernachtungsgäste – dass wie nebenbei auch noch höchste künstlerische Qualität entsteht, scheint im Zeitalter der Diktatur des Geldes beinahe eine Nebensache zu sein.Dabei sind es vor allem die Künstlerinnen und Künstler, die hier ihr Berufsrisiko erhöht haben, um uns die Ausübung ihrer Berufung zu zeigen. [13] Im September 2020 ist eine Jedermann -Aufführung ( frauJEDERmann ) an der „Geburtsstätte“ des Textes in Rodaun geplant. Vor allem versuchen Regisseure, denen weniger einfiel als Sturminger, mit Brüllton so etwas wie Spannung ins szenische Gebälk zu bringen. © 2020 ballett-journal.